Ja, ich gehöre auch zu den Verrückten!
Wir schreiben das Jahr 1998. Der Ort: Heidelberg-Neuenheim. Wer diesen Stadtteil kennt, hasst ihn. Springinsfeld Jürgen Klehr arbeitet in einer Weinhandlung. Er ahnt noch nicht, welch fulminantes Polotalent in ihm steckt. Jeden Samstag findet auf dem Hof des Ladens ein „Austern-Festival“ statt. Ein halbes Dutzend Austern und ein Glas Champagner für damals stolze 18 D-Mark. Während er sich beim Öffnen der Austern die Finger bricht, stehen an der Bar zwei Ehepaare, nachfolgend Herr und Frau Dr. Posh sowie die Neureichs genannt. Sie unterhalten sich angeregt über Golf, als Frau Dr. Posh sich zu ihm wendet und fragt: „Und Sie, Herr Klehr, spielen Sie auch Golf?“. Ihm rutscht ein „Wirklich nicht!“ heraus, was sie dazu veranlasst nachzuhaken: „Wie meinen Sie das?“. Er windet sich: „Wissen Sie, da, wo ich herkomme, spielt man kein Golf“. Frau Dr. Posh, hartnäckig: „So, was spielt man denn da, wo Sie herkommen?“. „Faustball“, möchte er ihr entgegenschleudern, doch ihm kommt ein lapidares „Polo“ über die Lippen. Spätestens jetzt hat er die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Personen um ihn herum.
„Polo?“, Frau Neureich schaut Jürgen Klehr ungläubig an, „Ist das nicht unglaublich teuer? Wie können Sie sich das denn leisten?“. „Hätte ihr ja auch schon beim Thema Golf auffallen können“, denkt sich Jürgen Klehr und kontert mit einem überlegenen: „Teuer ist relativ. Klar, zehn Bugattis sind teurer“. Er erklärt ihr, sein Vater möchte nur sehen, dass er etwas arbeite und für die Kosten aufkommt, denn: „Meine Familie spielt schon in der dritten Generation Polo in Deutschland. Diese Tradition soll natürlich mit mir fortgesetzt werden“. „Aber so ein Pferd kostet doch sicher enorm viel“, mischt sich Herr Neureich ein. Er will den Haken finden. Doch Jürgen Klehr schlägt zurück mit dem besten Satz, den er jemals gesagt hat: „Ein Pferd? Mit einem Pferd kommen Sie beim Polo nicht weit“. Und lächelnd fügt er hinzu: „Meinen letzten Satz Pferde habe ich in Argentinien geholt. Die Anschaffungskosten können Sie vernachlässigen, aber Transport, Versicherung, Unterkunft und Verpflegung fressen Sie auf“. Die Synapsen von Herrn Neureich arbeiten auf Hochtouren und man kann förmlich sehen, wie er versucht, „fressen Sie auf“ in D-Mark umzurechnen. „Und was ist nun so besonders an Polo?“ wirft Frau Dr. Posh ein. Die Antwort folgt auf dem Huf: „Das Besondere am Polo ist, dass man noch wirklich unter sich ist!“.
Zeitsprung. Im Sommer 2002 sitzt Jürgen Klehr in Mannheim mit Freunden in der eigenen Kneipe und wird aufgefordert, die Polo-Story zum tausendsten Mal zu erzählen. Wie die 999 Male zuvor sorgt sie für Tränen vor Lachen. Plötzlich fragt jemand: „Warum spielen wir nicht wirklich Polo?“. Alkoholisiertes Schweigen. Dann plötzlich: „Genau! Morgen um 15 Uhr zum Polo im Park“. Am nächsten Tag betrete ich die „Spielzeugschachtel“ – einen kleinen, inhabergeführten Laden. „Guten Tag, ich hätte gerne ein Steckenpferd!“ Der Inhaber schaut nicht auf. „Haben Sie Kinder oder gehören Sie auch zu den Verrückten?“. „Ja, ich gehöre auch zu den Verrückten“.
8 Stunden, 15 Tore, 100 Zuschauer und gefühlte 200 Strafsherrys (für falsches Galoppieren) später gründen wir den 1. Kurfürstlich-Kurpfälzischen Polo-Club Mannheim. Das Motto: Polo ist unser Steckenpferd. Die Mission: Steckenpferdpolo muss bis 2020 olympisch werden. Nun denn … Polo go!
Andreas Jurkowitsch
Gründungsmitglied 1. Kurfürstlich-Kurpfälzischer Polo-Club Mannheim
(Story as told by Mr. Präsident)
Sensationell! Schade, dass Mannheim soweit weg ist.